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Ziehen, klappen, ärgern

im Museum

Liebe Ausstellungsmacher,

was ich schon immer mal loswerden möchte: Ich möchte in einer Ausstellung keinerlei Schubladen mehr öffnen müssen oder irgendwelche Kästen aufklappen müssen oder irgendwelche Schränke öffnen zu müssen um an Informationen zu kommen. Ich weiß, Euch gefällt das so gut, Ihr findet das superkreativ und originell und Ihr könnt dann die Ausstellung als „Mitmach-Ausstellung“ oder als „Museum zum anfassen“ vermarkten.

Ich aber find’s einfach zum Gähnen und ich habe keine Lust mehr, überall nach Schubladen zu suchen. Ich öffne meine Schubladen zuhause, um nach Socken zu suchen, um mir einen Bleistift zu holen oder was auch immer. In einem Museum will ich schöne Ausstellungsstücke sehen und dazu durchaus Informationen. Ich kann ja selbst entscheiden, ob ich sie ganz lese oder nicht, ich bin nämlich schon groß. Wenn ihr mir helft, indem Ihr sie übersichtlich anordnet, umso besser. Aber bitte keine Schubladen und Klappkästen mehr, Danke!

Musste ich jetzt einfach mal loswerden.

im Museum

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Was man bei der Varus-Ausstellung entdecken kann

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leider nicht scharf, da hat sich die Kamera wohl auch erschreckt.

„Der römische Sparkassenbrief im Jubiläumsjahr der Varusschlacht“

Man beachte das S von Varus!

Museum Ritter, Gastspiel

Das Ritter Museum lohnt immer wieder einen Besuch. Nicht nur wegen dem Schokoladen. Die wechselnden Ausstellungen sind immer was Besonderes. Moderne abstrakte Kunst erschließt sich ja nicht immer auf den ersten Blick, aber gerade hier lohnt es sich immer wieder noch einen Blick zu riskieren. Und noch einen. Sie machen es einem aber auch leicht. Ein Audioguide ist im Eintrittspreis enthalten und die Erklärungen helfen durchaus.

Dieses Mal ist das Thema: „Gastspiel“. Verschiedene Künstler werden gebeten Arbeiten aus dem Fundus der Sammlung auszuwählen und sie mit eigenen zu kombinieren. So entstehen neue, ungewöhnliche Kombinationen wie hier die Arbeiten von Rosalie mit einer Lichtinstallation (fragt mich jetzt nicht, wer und warum…)
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Ritter Museum, Gastspiel

So werden die Bilder der Sammlung von Timm Ulrichs vermessen und gewogen.
Museum Ritter
Ergänzt durch eigene Arbeiten, auch zum Thema „alles im Lot“.
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Sehr ungewöhnlich aber auch für das Museum sehr passend ist die Arbeit der Filderbahnfreundemöhringen – eine Gruppe, aus ehemaligen Studenten der Kunstakademie hervorgegangen, deren Arbeiten immer auch Witz zeigen. (Schon der Name und die – durchaus gewollte – Verwechslungsmöglichkeit mit einem Eisenbahnmodellbauclub zeigt, dass sie sich nicht zu ernst nehmen). Hier durften sich nun Mitarbeiter von Ritter ein Bild aus dem Museum auswählen, das für die Dauer der Ausstellung bei ihnen zuhause hängt. In der Ausstellung sieht man dann ein Foto des Bildes in der Wohnung des Mitarbeiters – stolz und ungewöhnlich präsentiert. Die Bilder wirken in den Wohnungen natürlich fremd, aber gleichzeitig auch nah, weil sie eben „zum Anfassen“ sind. Die meisten wählten sich sehr bekannte Bilder aus der Sammlung aus, da ist es umso interessanter, sie mal ganz woanders hängen zu sehen. Es ist auch erfrischend, Bilder mal nicht bewusst „neutral“ zu hängen, sondern auch mal über dem Wohnzimmersofa, in direktem Kontakt mit den Kuscheltieren oder ähnliches.

Auch die Ausstellung Order and Disorder von Alighiero Boetti zeigt einiges Sehenswertes, vor allem das Hauptwerk Order und Disorder
Ritter Museum, Gastspiel

Ritter Museum, Gastspiel
Das spannende ist, dass auch in der „ordentlichen“ Arbeit ganz bewusst kleine Fehler eingebaut sind. Er spielt mit dem Konzept von Ordnung und Unordnung, zeigt, dass diese Begriffe auch immer eine Frage der Sichtweise sind.

Zum Museum muss man ja nicht mehr viel sagen, wer meine Bilder verfolgt, weiss, dass ich immer wieder vom Museumskubus, vom Spiel zwischen drinnen und draussen und von den Quadraten aller Art fasziniert bin.

Vergangenheit und Gegenwart

„Überlegen Sie bitte einmal: Lässt sich wirklich zwischen Vergangenheit und Gegenwart trenn? Eben als vergangene ist die Vergangenheit gegenwärtig, das heißt aber: Die Geschichte und der jeweilige geschichtliche Augenblick sind eins. Jedem geschichtlichen Augenblick entspricht eine andere, seine Geschichte; im Fluss befindlich ist Geschichte immer als Ganzes und total. Indem sich das Heute wandelt, wandelt sich nicht nur das Heute, sondern auch das Gestern. Das gestern ist geradenwegs eine Funktion des Heute.“

Albrecht Fabri Entwurf eines möglichen neuen Museums, 1953

Aus einem Flyer über das Museum Kolumba in Köln – eins der eindrücklichsten Museen, die ich je gesehen habe – ein „Dreiklang aus Ort, Architektur und Sammlung“. (schöne Beschreibung bei Kelly)

Steinzeit-Krimi – sprechende Knochen

Ein gesamtes Dorf wurde erschlagen. Hinterrücks, ohne die Möglichkeit zur Gegenwehr. Zuerst mal eine grausige Sache. Passiert ist das Ganze vor 7.000 Jahren. Und heute ist daraus eine richtig spannende Krimigeschichte geworden.

Es wurde „einfach nur“ ein Gräberfeld gefunden. Und was die Archäologen, Anthropologen, Gerichtsmediziner etc. darüber herausgefunden haben, dies wird im Moment in einer sehenswerten Ausstellung im Neanderthal-Museum präsentiert:

Steinzeit-Massaker. Tatort Talheim

„Vor 7000 Jahren wurden 34 Leichen nach einem Massaker verscharrt. Für die Ausstellung „Steinzeit-Massaker. Tatort Talheim“ haben Archäologen und Gerichtsmediziner den Tathergang rekonstruiert.

Im Frühjahr 1983 stieß Erhard Schoch in seinem Garten in Talheim bei Heilbronn auf Menschenknochen. Die zuständigen Archäologen des Landesdenkmalamtes begannen umgehend mit der Fundbergung. Ein 7000 Jahre altes Massengrab mit 34 Skeletten, darunter 16 Kinder und Jugendliche sowie 18 Erwachsene, wurden freigelegt. Die folgenden Ermittlungen der Archäologen, der Anthropologen und der Gerichtsmediziner verraten die Größe, das Geschlecht, Krankheiten, besondere Körpermerkmale und Verwandtschaftsbeziehungen der Toten. Alle waren miteinander verwandt. Die Spuren an Schädeln und Knochen belegen, dass die Menschen aus dem Hinterhalt, ohne Gegenwehr, mit Hacken erschlagen oder durch Pfeilschüsse getötet worden waren. Eine kleine Dorfgemeinschaft war brutal überfallen und nach dem Massaker verscharrt worden. Es handelt sich um den ältesten Fund dieser Art in Mitteleuropa.

Jeder der 34 steinzeitlichen Getöteten bekommt in der Ausstellung einen persönlichen Steckbrief. Eine außergewöhnliche Momentaufnahme lässt uns teilhaben am Leben und an der brutalen Tötung von Kindern, Frauen und Männern vor über 7000 Jahren.“

(Zur Ausstellung gibt’s auch ein sehr informatives Begleitheft.)

Dass man aus den Knochen das Geschlecht, die ungefähre Größe, ja auch manche Krankheiten bestimmen kann, wusste ich. Aber dass man auch sagen kann, ob jemand eine Zeitlang woanders verbracht hat oder immer im gleichen Dorf gelebt hat, das fand ich schon spannend. Verwandtschaften können über Zahnmerkmale, DNA- und andere Analysen bestimmt werden. Es wurde zum Beispiel festgestellt, dass die Männer untereinander sehr viel ähnlicher sind als die Frauen. Daraus kann man schließen, dass die Frauen meist in ein fremdes Dorf eingeheiratet haben.

Natürlich bleiben viele Fragen offen. Die Täter wurden nicht mehr dingfest gemacht. Auch über das Motiv wird spekuliert, ob Blutrache oder Nahrungsmangel, wir werden es nicht mehr mit Sicherheit wissen, aber was man daraus gefolgert hat ist höchst lesenswert. Manche gehen sogar soweit, dies als ersten Krieg der Menschheit zu begreifen.

Das Ganze erinnert mich auch an einen sehr interessanten Artikel in der Zeit: Auch hier geht es darum, das Leben und die Lebensumstädne eines unbekannten Toten zu rekonstruieren .