Archiv der Kategorie: esslingen

Glocken überall

Und während das Glockenkonzert naht, stolpere ich überall über Glocken.

Zuerst waren wir in Hagen im Freilichtmuseum – und was gab es, natürlich eine Vorführung über das Glockengießen – wenn auch nur sehr kleine Glöckchen.
Glockengießer

Glocken

Glocken

Die Glocken waren ja immer Teil des städtischen Lebens. Glocken dienten allgemein nicht nur liturgischen Zwecken sondern waren Marktglocke, Rathausglocke, Zinsglocke, Gerichtsglocke, etc.

Und als ich die Beschreibung des Esslinger Schwörtags  von 1789 las, was steht da? Zum Schwörtag beginnt „der ganze Magistrat unter präsentirtem Gewehr und Salutation sämmtlicher Fahnen die feierliche Prozessin in den Schwörhof. Das Zeichen zum solennen Einzug wird mit allen Glokken geläutet.“

Und dann gibt es noch die Geschichte der unbekanntesten Esslinger Glocke: Das Zehnuhrglöckchen oder besser gesagt, das Weinglöckchen. Es zeigt den Beginn der Sperrstunde an, nach dem Läuten des Weinglöckchens durfte kein Wein mehr ausgeschenkt werden und man durfte nicht mehr ohne Licht auf der Straße angetroffen werden.

Karl Pfaff 02

Karl Pfaff 03
Ausschnitte aus: Geschichte der Reichsstadt Esslingen, 1852

Diese hängt im Südturm der Esslinger Stadtkirche und wurde früher vom dort wohnenden Türmer geläutet. Da seit 1897 niemand mehr dort wohnt, wurde sie offiziell auch seitdem nicht mehr geläutet. Sie muss weiterhin von Hand geläutet werden, im Grunde wurde diese Glocke ein wenig vergessen… Inoffiziell wurde sie durchaus geläutet, es gab Zeiten, in denen sich Jugendgruppen der Pfadfinder und Jungschar auf der Turmstube trafen, natürlich gab es da spontane Läutaktionen.

Auch diese Glocke wird beim Glockenkonzert erklingen. Der Glockenexperte Huber sagt, man höre sie am weitesten von allen. Wir sind gespannt.

***

„Jeder Mensch gleicht einem Stück Glas
und spiegelt in seiner Seele einen kleinen Teil dessen wider, was ihn umgibt.
In jedem Menschen steckt eine Glocke,
und wenn man es versteht, ihn wachzurütteln,
dann erklingt diese Glocke und antwortet.“
Maxim Gorki

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Die Glocken wecken den Dicken Turm – erstes Esslinger Glockenkonzert

„Mir scheint es wunderbar und bemerkenswert, dass eine Kunst erfunden wurde, durch einen Klöppelschlag in einer und derselben Sekunde in 1000 verschiedenen Herzen eine und dieselbe Empfindung zu wecken.“
Francois-René de Chateaubriand

Hochwacht Esslingen

Glockenklang ist ein Stück akustische Heimat. Ich habe ja schon ein paar Mal erzählt, wie mich der Klang der Untertürkheimer Glocken immer noch an meine Großeltern erinnert. Noch heute bin ich, wenn ich sie höre, in Gedanken im Garten der Großeltern.

Glocken rufen immer wichtige Dinge in Erinnerung, heute vor allem kirchlich genutzt, aber früher waren sie ein wichtiger Teil der Öffentlichkeit.

Und so freue ich mich, dass nächsten Sonntag ein besonderes Glockenkonzert in Esslingen stattfinden wird – um den Dicken Turm aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Es werden alle 65 Glocken der Stadt läuten, zuerst einzeln, dann zusammen. Die Burg ist eine Art natürliches Amphitheater, von dort sind alle Glocken zu hören und sehen. Es wird sicher etwas ganz Besonderes werden! Das Ganze ist als Auftakt zum Spendensammeln für den Dicken Turm gedacht. Karten gibt es beim Esslinger Stadtmarketing EST am Marktplatz.

Näheres auf der Seite der Esslinger Glocken:

Wer also in der Nähe ist, sollte dies nicht verpassen, ich glaube, es wird ein einmaliges Erlebnis!

Es ist Essig mit der Essigfabrik

Wie geht’s eigentlich der Essigfabrik, fragte mich hier vor kurzem Croco. Die Esslinger Essigfabrik Hengstenberg ist über die Grenzen gut bekannt. Als Kind wurde mir sogar gesagt, dass der Name Esslingen eigentlich von Essiglingen komme.
Doch leider – von der Essigfabrik ist nichts mehr zu sehen. Fährt man an der Mettinger Straße vorbei, so ist noch die Villa da, wenn auch angeknabbert und ein kirchturmartiges Gebilde. Ein kläglicher Rest:

Hengstenberg-Areal - es war einmal

das Hengstenberg-Areal - es war einmal

Die Firma Hengstenberg ist 1876 von Richard Alfried Hengstenberg als Essigfabrik Kallhardt & Hengstenberg gegründet worden, recht bald (1878) übernahm Hengstenberg die gesamte Firma. Der kleinen aufblühenden Fabrik in der Esslinger Altstadt wurde diese Altstadt bald zu eng und so wurde 1895 an diesem Standort gebaut. Der Esslinger Architekt Hermann Falch baute die erste Fabrik ganz am Rande des neuen Stadtteils Weststadt (der aber damals nicht so hieß!) Fabrik und Fabrikantenvilla wurden, wie damals üblich direkt nebeneinander gebaut, sie hatten sogar eine gemeinsame Heizanlage.

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Der Zugang von links ging zur Villa und zu den Verwaltungsräumen im Erdgeschoss, von rechts kam man zum Fabrikteil. Hier wurden nun auch eingelegte Gurken und Senf hergestellt. Die Gebäude waren unterkellert, zur Lagerung und Reifung des Essigs. Die Fabrik wurde Anfangs des 20. Jahrhunderts mehrmals an- und umgebaut. Es wurde dabei darauf geachtet, dass die Schauseite ein einheitliches Bild bekam, dies war aber nicht die Mettinger Straße, die Schauseite war zur Eisenbahn hin. Hier fuhren potentielle Kunden, zur damaligen Zeit wurde ein Fabrikgebäude durchaus als Werbung für das Produkt verstanden.

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Beide Bilder aus den Esslinger Studien, Bd. 36
Gabriele Kreuzberger-Hölzl, Fabrikbauten in Esslingen – Beispiele für die Entwicklung des Industriebaus im 19. und 20.Jahrhundert

Hengstenberg traf den Nerv der Zeit, denn im beginnenden 20. Jahrhundert wurden immer mehr Fertigprodukte verwendet, es gab ja auch immer mehr arbeitende Frauen, für die diese Produkte eine Erleichterung waren. 1932 wurde hier das erste pasteurisierte Sauerkraut hergestellt. Die Esslinger Zeitung schreibt dazu:
„Die Anregungen für seine Erfindung hatte Richard Hengstenberg aus den USA mitgebracht. Bevor es ihm aber gelang, den Gärungsprozess in den Griff zu bekommen, war es in der Mettinger Straße zu einigen Explosionen gekommen.“

Obwohl zu Hochzeiten an bis zu 13 Standorten produziert wurde, gab es an der Mettinger Straße in Esslingen bis 2010 noch eine Produktion. Jeder Esslinger kennt den typischen Essiggeruch, er ist ein Stück Heimat.

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Das Wappen der Firma Hengstenberg mit dem sich über dem Berg aufbäumenden Hengst.

2009 verkaufte die Firma Hengstenberg das Areal und zog mit der Verwaltung ins Esslnger Industriegebiet. Das Grundstück bekommt nun schrittweise neue Nutzungen, die Volkshochschule ist hier seit 2011 untergebracht, es entstehen nach und nach ein Studentenwohnheim, eine Kindertagesstätte, eine Zahnarztpraxis, Büro und Verwaltungsflächen für die Caritas, den Neckar-Elektrizitätsverband (NEV) und die Esslinger Wohnungsbau (EWB). „In einem bestehenden Gebäude wird außerdem eine kleine Markthalle untergebracht.“ schreibt die Esslinger Zeitung.

Es ist schön, dass das Areal neue, vielfältige Nutzungen bekommt. Allerdings wird die Markthalle n i c h t in den historischen Gebäuden entstehen. Diese sind nämlich abgerissen. Weg. Man sagt, der Essigdampf habe die Mauern so geschwächt, dass sie nicht mehr zu erhalten waren. Dies kann ich nicht wirklich beurteilen, nach allem, was so in Esslingen passiert, halte ich es nicht unbedingt für glaubhaft.

Der Zwieblinger fragte sich Anfang 2012 schon: „Soll von einem U nur ein L bleiben?
Heute ist nicht mal mehr das L übrig, nur noch ein paar Versatzstücke. (Im Beitrag vom Zwieblinger ist auf einem Bild von oben der gesamte Komplex zu sehen)

In den Zeitungen stand es schließlich ganz anders:

„So bleibt in dem charakteristischen Komplex mit Klinker, Fachwerk und Turm, der um einen Neubau ergänzt wird, noch Platz für ein Fitness- und Gesundheitszentrum, für eine Markthalle und für einen Gastronomiebetrieb. , wobei die alten Gebäudeteile lediglich noch ihre Schale behalten, während innen alles neu wird.“

Die EWB wolle die Hengstenberg-Villa mit der alten Fabrikhalle als identitätsstiftend erhalten. Die Marke Hengstenberg sei in Deutschland schließlich bekannter als die Stadt Esslingen. „Es ist uns ein Anliegen, dass die Abrissbirne hier haltmacht.“

Wie gesagt, die neuen Nutzungen sind sehr gut und es ist auch schön, dass das Areal nun begehbar ist. Denn für die Esslinger ist die Firma Hengstenberg immer ein wichtiger Teil ihrer Stadt gewesen, aber auf dem Fabrikgelände war man natürlich nicht.

Aber es fehlt ein wichtiges Erinnerungsstück. Erinnerung braucht einen Raum. Es wäre schön, wenn man beim Besuch der Markthalle oder des gesamten Areals hier noch den „Essiggeruch erahnen könnte“ und nicht einfach nur zwei billige Versatzstücke zwischen austauschbaren Neubauten herumstehen.

Schade, hier wurde eine Chance verpasst. Und wenn es tatsächlich Gründe gab, die essiggetränkten Mauern abreißen zu müssen, wieso wurde es nicht erklärt? Hier hätten Informationen weitergeholfen. Ich höre bei den Esslinger im Moment sehr viel Wut heraus, dass hier schon wieder ein wichtiges Stück Esslinger Industriegeschichte vernichtet wurde. Gerade am Tag des offenen Denkmals wurde uns das sehr deutlich gesagt.

Und ich frage mich, wie steht die Firma Hengstenberg dazu? Findet sie es schade, dass die Gebäude abgerissen wurden? Oder ist sie insgeheim froh, dass „der alte Kruscht“ weg ist, wie so oft über alte Gebäude gesprochen wird? Auch in Esslingen, in einer Stadt in der doch viele Menschen verstehen, dass sie von und mit ihrer Geschichte leben.

Ich vermute mal, es wurde auch nichts dokumentiert.

Vor einiger Zeit hab ich von den Neubauten schon einmal Fotos gemacht. Hier fand ich das Miteinander von Neu und Alt noch spannend. Aber es gibt kein Miteinander mehr.

Esslingen Weststadt

Hengstenberg Areal - alles schon weg

Hengstenberg Areal - alles schon weg

Hengstenberg Areal - alles schon weg

 

 

Hengstenberg Areal - alles schon wegHier war die Villa noch Teil des Ensembles. Es war nie eine freistehende Villa.

Leider war das alte Fabrikgebäude nicht unter Denkmalschutz. So kann man aber dem Denkmalschutz nicht vorwerfen, die denkmalgeschützten Gebäude werden zu streng beurteilt. Wenn alles andere, was nicht unter Denkmalschutz ist, irgendwann verschwindet oder zur Fassadenattrappe reduziert wird, ist der Denkmalschutz für die verbleibenden Gebäude umso wichtiger. Eben auch für die Erinnerung, was Esslingen eigentlich ausmacht und was diese Stadt groß gemacht hat.

Ich selbst habe im Moment jede Lust verloren, Hengstenberg-Produkte zu kaufen. Schade.

 

Unbequeme Denkmale?

Ganz frisch zurück aus dem Urlaub und bevor es hier weitergeht, noch einen Blick auf den morgigen Tag des offenen Denkmals. Es wird keinen überraschen, dass ich wieder einen Besuch in Esslingen empfehle.

„Ich bin ja schon für Denkmalschutz, aber dass jemand bei meinem Haus mitredet, wie ich es bauen soll, das geht ja wohl nicht.“

„Ich bin ja schon für Denkmalschutz, aber diese alte Hütte hier ist doch hässlich, die kann man doch abreißen.“

„Ich bin ja schon für Denkmalschutz, aber wir leben doch im Heute, da brauchen wir doch moderne Häuser (mit Aufzug, Klimaanlage, Wärmedämmverbundsystem und so weiter).“

„Ich bin ja schon für Denkmalschutz, aber es reicht doch, wenn die Fassade hier stehen bleibt. Oder am besten, wir reißen alles ab und bauen es wieder genauso auf, nur neu.“

Diese Sätze sind nicht mal überspitzt, man kann den einen oder anderen genau so hören. Keine Frage, Denkmalschutz ist manchmal unbequem.

Deswegen war es in Esslingen auch keine Frage, das diesjährige Thema „Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?“ kann durchaus weit gefasst werden. Viele Städte widmen sich vor allem den Bauten der Nazizeit oder anderen Bauten, die an Zeiten erinnern, die es nicht hätte geben dürfen. Es gibt aber noch eine Menge anderer Gründe, weshalb Gebäude unbequem sind:

Gebäude, die nicht als schön gelten. Schönheit ist kein Kriterium für die Denkmaleinschätzung. Das Schönheitsempfinden wandelt sich. Heute bewundern wir die „malerischen“ Fachwerkhäuser, früher waren sie „altmodische Häuser, nur von Holz und Riegel gebaut“.

Leer stehende Häuser, die keine Nutzer finden, oder auch zu große und anspruchsvolle Nutzungen, die das Gebäude buchstäblich erschlagen.

Und immer, immer wieder zu hohe Verwertungsinteressen. Großflächige Nutzungen, ich nenne nur beispielsweise den Einzelhandel. Wie vielen Einkaufscentern in Deutschland ist ein Denkmal zum Opfer gefallen? Jüngstes Beispiel das Gerberviertel in Stuttgart. Oft ist großzügig die Fassade übrig geblieben. Reicht doch. Nein reicht eben nicht.

Überhaupt ist ein großer Feind des Denkmalschutzes der Rekonstruktionswahn. Ist nicht ein „neues altes“ Gebäude viel besser, weil hübscher, glatter, bequemer? Muss sich dagegen nicht das alte Gebäude rechtfertigen, mit seinen Runzeln und Falten, mit seiner unbequemen Geschichte, seinen Altersspuren und Schäden? Dies passt natürlich in die heutige Zeit, in der die Anforderung an den menschlichen Körper ist, fit, schön, straff, perfekt und makellos zu sein. Da sollen auch die Denkmale eine „perfekte Fassade“ haben.

Dabei ist der Reiz der Denkmale, dass sie von den Menschen berichten, die darin gelebt haben, dass sie echt sind, mit Lebensspuren. Wir brauchen die Geschichte und die Erinnerung an früher und Erinnerung braucht einen Ort. Geschichtslos zu sein ist wie ein Mensch, der seine Erinnerungen verloren hat.

altes Schelztorgymnasium

Und weil das nun alles sehr theoretisch ist, ist morgen die Gelegenheit, sich den gelungenen Umgang mit unbequemen Denkmalen anzuschauen und mal wieder unbekannte Denkmale zu sehen.

Wie immer gibt es ein großes und vielfältiges Programm, von Führungen und Objektbesichtigungen und Gastronomie in alten Pferdeställen, Scheuen und Wengerterhäusern. Man kann hinter die Kulissen der Firma Kessler blicken oder in den alten Wasserbehälter auf der Burg steigen, sieht Gebäude im Umbau, beispielsweise das älteste Lichtspieltheater Baden-Württembergs, das Centraltheater, sieht vor dem Abriss gerettete Gebäude wie das ehemalige Schelztorgymnasium, heute das Landesamt für Denkmalpflege, kann Ausgrabungen unter der Stadtkirche sehen oder sich erzählen lassen, was die Überreste der Ausgrabungen des Karmeliterklosters im Lapidarium bedeuten. Es gibt Führungen zu den Esslinger Stolpersteinen und zu 40 Jahren Altstadtsanierung, zu den ehemals „nutzlosen“ Pfleghöfen und zu zeitweise ungeliebten Kirchen. Man kann am Nachmittag in die (neue und alte) Synagoge schauen oder ins ehemalige jüdische Waisenhaus (Theodor-Rothschild-Haus). Es gibt natürlich wieder eine Kinderführung, diesmal zu den Stadtmauern. Unbequem sind natürlich auch die technischen Denkmale, so die ehemaligen königlichen Hoflieferanten Gebrüder Kauffmann, deren Maschinenhaus man besichtigen kann. Typisch für Esslingen sind auch die Weinbergmauern, leider auch ein unbequemes Denkmal, weil viele einsturzgefährdet sind. Durch die Weinberge wird natürlich auch gewandert. Und wie immer kann man auf die Stadtkirchentürme und hier einen neuen Blick auf diese schöne alte Stadt bekommen.

Stadtkirche Esslingen

Stadtkirche Esslingen

Es gibt also, wie all die letzten 20 Jahre in Esslingen ein Programm, das einen Besuch lohnt.

getäfelte Stuben

„Fachwerk, wünschte ich, wäre nie erfunden worden. So viel Vorteil es bringt, weil man es schnell ausführen kann und es die Räume weiter macht – umso größer und allgemeiner ist der Nachteil, dass es bereit ist, wie Fackeln zu brennen.“

So sprach vor rund 2.000 Jahren Vitruv. Glücklicherweise hat es sich dann doch durchgesetzt. Aber Feuer und Holz – das eine ist ohne das andere nicht denkbar, aber dennoch eine schwierige Partnerschaft. Die große Brandgefahr drohte immer, Tag und Nacht wurden in den Städten auf Kirchtürmen und Stadttürmen nach Feuer Ausschau gehalten. Wie schnell konnte ein Brand entstehen; ob Kochen, Heizen oder Beleuchtung – alles geschah mit offenem Feuer. Überall wurde brennbares Material gelagert, wie schnell konnte sich ein Feuer über die ganze Stadt ausbreiten. Schmiede, Badstuben und Bäcker sorgten für zusätzliche Feuergefahr.

Und doch – echte Behaglichkeit gab es nur mit Holz und dazu gehörte die Heizung. Die Bohlenstuben, rauchfrei beheizt, boten mit ihren Wänden, Decken und Böden aus Holz und Lehm genügend Wärmedämmung, um einen wirklich warmen Raum zu bekommen. Dies war in den offenen Hallenhäusern nicht wirklich möglich. Und rauchfrei beheizt, das klingt heute so einfach, war aber eine echte Besonderheit. Die Erfindung des Kachelofens als so genannter Hinterlader machte dies möglich. Er wurde von der Küche aus beschickt und der Rauch entwich auch wieder in die Küche. Und in der Bohlenstube war es warm und behaglich, wenn auch recht dunkel.

Das mit dem Holz wusste übrigens schon der Venatus Fortunas, der Bischof von Poitiers um 560:

Weg mit euch, mit den Wänden von Quadersteinen! Viel höher
Scheint mir ein meisterlich Werk, hier der gezimmerte Bau.
Schützend verwahren vor Wetter und Wind uns getäfelte Stuben,
Nirgends klaffenden Spalt duldet des Zimmermanns Hand.

(aus dem Lateinischen übertragen von A. Haupt)

Die Kunst der Bohlenstuben und getäfelten Stuben wurde lange beibehalten. Zu Beginn konnten sich sicher nur reiche Leute eine Bohlenstube und einen Kachelofen leisten, aber irgendwann war es Standard, eine Bohlenstube in allen Häusern zu finden. Bis dann später, mit der Verbesserung der Heiztechnik mehrere Räume beheizt werden konnten – was natürlich zu enorm steigendem Holzverbrauch führte. Irgendwann waren dann nicht mehr Holzbalkendecken sondern Stuckdecken modern. Aber die Erinnerung bleibt – in der „Guten Stube“, in der Amtsstube, Bauernstube, Dachstube, im Nähstübchen. Heute hat das Wort Stube einen altmodischen Klang aber nicht zu Unrecht wurde die Erfindung der Stube von Kurt Bedal als „Kulturleistung des Mittelalters“ bezeichnet.

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