Die Hirten sind noch unterwegs und ohne Dach,
wenn andre längst in festen Häusern schlafen.
Doch wachen sie nicht mehr wie einst bei Schafen
und denken über Schuld und Gott und Elend nach.
Als Taxifahrer halten sie sich mühsam wach,
sie zittern im Gefängnis vor den Strafen,
sind ausgestoßen von den ewig Braven,
und unter Schmerzen liegen sie, verstört und schwach.
Doch siehe: Gottes Engel tritt heran
zu allen, die er wachend findet,
weil Pflicht, weil Schicksal sie jetzt bindet,
sagt ihnen, wo sie sind, die Freude an:
das Heil wohnt unter uns im engen Stall,
und Bethlehem ist heute überall.
Dietmar Schröder
Was gibt es zu den Hirten zu sagen? Dass sie Menschen am Rande waren, echte raue Kerle und keine „anbetend knieenden redlichen Hirten“ ist nichts Neues. Auch wenn wir uns heute die Hirten wahrscheinlicher romantischer vorstellen als sie es tatsächlich waren. Zum einen haben wir die unzähligen niedlichen kleinen Hirtenkinder von den Krippenspielen vor Augen, zum anderen sind die heutigen echten Hirten sehr viel stärker Teil der Gesellschaft. Bei Hirten denken wir eher an Aussteiger wie die Sennen auf der Alm oder wir können uns ihren Beruf sogar auf Twitter anschauen wie beim Wanderschäfer auf der Schwäbischen Alb.
Aber die Hirten der damaligen Zeit waren echte Randexistenzen, meist gehörten die Tiere ihnen nicht, ihnen wurde oft Unehrlichkeit vorgeworfen, vor Gericht wurde ihnen grundsätzlich nicht geglaubt. Und diesen Hirten wird hier als erstes die frohe Botschaft verkündet – ein Thema, das sich in der Bibel durchzieht. Informationen aus erster Hand gibt es für die, denen vor Gericht nicht geglaubt wird. An Weihnachten die Hirten, bei der Auferstehung zuerst die Frauen. Es gibt also keinen Empfang für die Wichtigen und das Volk darf hinterher in der Zeitung nachlesen, was los war. Es gibt keine offiziellen Verlautbarungen, kein Countdown bis zur Pressekonferenz.
Nein, in der Nacht, wenn die anderen Menschen schlafen, passiert etwas. Und die Hirten sind wachsam, sie verschlafen es nicht. Sie können die Zeichen der Zeit lesen, sie verstehen und kennen das Wunder der Geburt. Die entscheidenden Dinge passieren nachts oder am Rande.
Und sie gehen tatsächlich los, so wie sie sind – ohne Weihnachtsstimmung, ohne Festkleidung, ohne Weihnachtsdekoration. Sie kommen wie sie sind.
Am spannendsten finde ich ja dies: „Sie breiten das Wort aus, das zu ihnen gesagt worden war: Und alle wunderten sich, über das, was den Hirten gesagt war. Und sie lobten Gott für das, was sie gehört hatten.“ Die anderen hören den Hirten tatsächlich zu, sie kommen miteinander in Kontakt, sie glauben den Hirten. Hören wir den Randexistenzen zu? Haben sie heute überhaupt die Möglichkeit, uns etwas zu sagen? Würden wir ihnen glauben, sie ernst nehmen? Wäre es für uns nicht erst wahr, wenn das Fernsehen dabei gewesen wäre? Können wir uns noch wundern und sind wir bereit, dem Wunderbaren zu glauben?
WIE EINER DER HIRTEN
Du
mögest einer werden, der die Träume
nicht umbringt,
der die Lachenden
nicht verstummen lässt
und die Traurigen schützt,
einer, der behütet,
was verletzbar ist,
einer, der seine Seele
nicht preisgibt,
sondern sie trägt
wie ein Lamm,
einer, der sich
auf Engel verlässt,
auf ein Licht,
einmal gesehen,
auf ein Wort des Friedens,
unvergesslich.
Dann wirst Du finden
den Ort, wo es heißt:
Gott mit uns.
Dann wird es von Dir heißen:
er ist geworden
wie einer der Hirten.
Joop Roeland