Ich steh an Deiner Krippe hier, 18. Tür

18. Tür

nochmals Marias Magnificat:

 
l. und maria sang
ihrem ungeborenen sohn:
meine seele erhebt den herrn
ich juble zu gott meinem befreier
ich: eine unbedeutende frau –
aber glücklich werden mich preisen
die leute von jetzt an
denn großes hat gott an mir getan –
sein name ist heilig
und grenzenlos sein erbarmen
zu allen denen es ernst ist mit ihm –
er braucht seine macht
um die pläne der machthaber fortzufegen
er stürzt die hohen vom sitz
und hebt die unterdrückten empor
er macht die hungrigen reich
und schickt die reichen hungrig weg

2. und maria konnte kaum lesen
und maria konnte kaum schreiben
und maria durfte nicht singen
noch reden im bethaus der juden
wo die männer dem mann-gott dienen
dafür aber sang sie
ihrem ältesten sohn
dafür aber sang sie
den töchtern den anderen söhnen
von der großen gnade und ihrem
heiligen umsturz

3. dennoch
erschrak sie
am tage
da jesus die werkstatt
und ihre familie verließ
um im namen gottes
und mit dem feuer des täufers
ihren gesang
zu leben

4. und dann
ach dann
bestätigten sich
alle ängste
aufs schlimmste:
versteinert stand sie
und sprachlos
als jesus
am galgen
vergeblich
nach gott schrie

5. später viel später
blickte maria
ratlos von den altären
auf die sie
gestellt worden war
und sie glaubte
an eine Verwechslung
als sie
– die vielfache mutter-
zur jungfrau
hochgelobt wurde

und sie bangte
um ihren verstand
als immer mehr leute
auf die knie fielen
vor ihr

und angst
zerpreßte ihr Herz
je inniger sie
– eine machtlose frau –
angefleht wurde
um hilfe um wunder

am tiefsten
verstörte sie aber
der blasphemische kniefall
von potentaten und schergen
gegen die sie doch einst
gesungen hatte voll hoffnung

6. und maria trat aus ihren bildern
und kletterte
von ihren altären herab
und sie wurde
das mädchen courage
die heilig kecke jeanne d’arc
und sie war
seraphina vom freien geist
rebellin gegen männermacht
und hierarchie
und sie bot
in käthe der kräutermuhme
aufständischen bauern
ein versteck

und sie wurde
milionenfach als hexe
zur ehre des
gottesgötzen verbrannt
und sie war
die kleine therese
aber rosa luxemburg auch
und sie war und sie ist
vielleibig vielstimmig
die subversive hoffnung
ihres gesangs

Kurt Marti

***

Maria steht mit beiden Füßen auf dem Boden
sie traut ihrer Stimme
singt voller Lebenskraft ihr Lied

Maria bleibt nicht alleine mit ihrer Sehnsucht
sie begegnet Elisabeth
um verbindende Fragen auszuhalten und zu gestalten

Maria nimmt ihren Standpunkt voll und ganz ein
keine billigen Kompromisse
sondern ein Plädoyer für echte Menschlichkeit

Maria atmet tief durch
damit Freundin Geist durch sie atmen kann
als Ermutigung auch Missstände zu benennen

Maria hält ihre Sehnsucht nicht zurück
sie ist ganz bei sich und erzählt
vom unerwarteten Entgegenkommen Gottes

Maria spürt die Ermächtigung
einseitige Macht zu hinterfragen
um die Armen an ihre einmalige Würde zu erinnern

Maria durchbricht die Tagesordnung
ermutigt zum Aufstand für das Leben
weil sie der Macht der Ohnmächtigen traut

Maria schöpft aus ihrer inneren Quelle
um daraus Widerstand zu wagen
für eine Welt
die allen Menschen Brot und Rosen ermöglicht

Maria nährt ihre Erinnerung
an den Sehnsuchtsaufbruch von Sara und Abraham
und Mirjam und Mose
und sie spürt ihre Lebenskraft

Maria singt ihr Lied
von einem zärtlichen Gott
der nicht aufgibt mit uns zu träumen
vom menschenwürdigen Miteinander
in allen Kontinenten.

Pierre Stutz

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2 Antworten zu “Ich steh an Deiner Krippe hier, 18. Tür

  1. Eine wahrlich liebenswerte Frau, die Maria, wie sie hier von Kurt Marti und Pierre Stutz beschrieben und gelobt wird. Gelobt sei sie!

    Lieben Dank und Gruss,
    Brigitte

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