17. Tür: Süsser die Glocken nie klingen
Weihnachtsnacht
…
Weht im Schnee ein Weihnachtsduft
Träumerisch durch dichte Flocken,
Füllt die schwere Winterluft
Und aus weichen Wolken ruft
Sanft der Klang der Kirchenglocken.
…
Hilde Fürstenberg
Von Glocken habe ich eigentlich kaum Fotos. Das macht nichts, Glocken soll man ja besser hören als sehen. Glockentöne sind für mich ein Stück Heimat. Die katholische Kirche in der Nähe meiner Großmutter hat meine Kindheit geprägt, auch wenn ich in dieser Kirche noch nie drin war. Als ich dann selbst da hingezogen bin, war das anfangs seltsam schön, am Glockenton meiner Kindheit zu wohnen.
Glocken haben immer noch etwas geheimnisvolles. Glocken stehen in vorchristlicher Zeit für die Kommunikation mit übersinnlichen Wesen, sie rufen die Geister und sprechen mit ihnen.
In Kirchen rufen Glocken zum Gebet. Ebenso strukturierten sie früher den Alltag, sie läuten zu Beginn und Ende des Markts, zum Schulbeginn, zu Ratsversammlungen usw.
Meist sind es ja mehrere Glocken und so gibt es oft spezielle Glocken für bestimmte Anlässe, Sonntagsglocken beispielsweise oder Sturmglocken. Wobei man das Sturmläuten, das vor Unwetter warnt vom Wetterläuten unterscheiden muss, dies ist ein abergläubischer Rest.
Viele Glocken haben bestimmte Namen, die nach ihren Funktionen benannt sind: es gibt Armeseelenglocken, die den Verirrten den Weg weisen sollen, in dem sie nachts vor dem Schließen der Stadttore läuten und Armsünderglocken, die bei Hinrichtungen läuteten.
Es gibt Bierglocken, die zur Schließung der Bierstuben mahnen. In Trier heißt sie Lumpenglocke, weil sie die Lumpen also die Zecher heimschickt.
Glocken mit richtigen Namen gibt es auch, bekannt ist natürlich der Dicke Pitter in Köln, schön finde ich auch die Faule Anna in St. Marien in Stendal, sie läutet nur zusammen mit den übrigen Glocken, nie allein, daher ihr Name. Die Dicke Susanne im Berner Münster hat laut Wikipedia ihren Namen davon, dass einer der Läutemeister das Ziehen der Glocke mit dem Tanzen mit seiner gewichtigen Gattin Susanne verglich.
Und dann gibt es noch die Weihnachtsglocken.
Aber am allerschönsten finde ich die Spätzlesglocke. Die läutet in Freiburg wenn es Zeit fürs Spätzle-Wasser ist, also eine Stunde vor Mittag.
***
Winternacht
Es war einmal eine Glocke,
die machte baum, baum…
Und es war einmal eine Flocke,
die fiel dazu wie im Traum…
Die fiel dazu wie im Traum…
Die sank so leis hernieder,
wie ein Stück Engleingefieder
aus dem silbernen Sternenraum.
Es war einmal eine Glocke,
die machte baum, baum…
Und dazu fiel eine Flocke,
so leis als wie ein Traum…
So leis als wie ein Traum…
Und als vieltausend gefallen leis,
da war die ganze Erde weiß,
als wie von Engleinflaum.
Da war die ganze Erde weiß,
als wie von Engleinflaum.
Christian Morgenstern
***
„Entweder regnet es in Münster, oder es läuten die Glocken.
Geschieht beides gleichzeitig, ist Sonntag.“
Volksmund
Wie schön, du kannst einfach jedem Thema Spannung, Leichtigkeit und Esprit verleihen! Ich lese da unglaublich gerne mit… Danke, Tine!
Und schönen Gruss, der mindestens bis zum Klang der Spätzles-Glocke reichen soll,
Brigitte
Glocken – das ist auch so etwas Geheimnisvolles und Faszinierendes, zumindest empfinde ich das so. Als am Decke Pitter der neue Klöppel montiert war, habe ich das Probeläuten mitbekommen. Gänsehaut.
LG, Ingrid
Da fühle ich mich jetzt ganz spontan in meine noch nicht allzu fernen Bergwanderer-Jahre versetzt. So manches Mal, wenn ich auf einem Gipfel saß und beglückt nach langem Aufstieg Brotzeit machte, schwang vom fernen Tal, tief, tief unter mir der mittägliche Klang der Kirchenglocken zu mir hoch. Und diese Laute versetzten mich mit einem Male in eine feierliche, und sehr glückliche Stimmung…
Ingrid und Margot, schön, von solch Gänsehautmomenten zu hören. Glocken gehen einfach ganz tief unter die Haut.
Brigitte, danke für all die so passenden Kommentare :-)
(Nun ist längst Neues Jahr; ich freue mich gerade massiv an Deinem Adventskalender. Besser spät als nie!)
Ich habe immer so dicht an Kirchen gewohnt, daß für mich jeder Lebensabschnitt einen eigenen Glockenklang besitzt. Ich mag das sehr, und ich finde es schade, daß Glockengeläut zunehmend zu stören scheint.
Den unheimlichen Aspekt von Glocken habe ich erst in The Nine Taylors von D.L. Sayers kennengelernt; in Frankreich scheinen Glocken auch zwiespältig zu sein.
Meine Adventskalender sind zeitlos, die kann man immer wieder lesen. Die Nine Tailors kenne ich nicht, aber das klingt interessant, kommt gleich mal auf die Liste.
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