die Sammeltassen

und gleich noch mal Tassen mit einer Geschichte:

Die Tante Fanny – eigentlich eine Großtante – war eine eher seltsame und ungeliebte Tante. Irgendwo komisch. Sie war die Schwester meiner Großmutter und lebte zeitlebens im gleichen Haus, alleine in einer eigenen Wohnung. Mit ihrer Schwester verband sie irgendwie eine Hassliebe. Sie konnte nicht wirklich gut mit Kindern, wir fanden sie also uninteressant, hatten sogar manchmal Angst vor ihr. Sie lebte ihr Leben lang alleine, war aber sehr unselbstständig, was dann im Alter zu einem echten Problem wurde.

Wenn man sich aber ihre Lebensgeschichte näher anschaute, wurde einem jedoch manches klar, weshalb sie so war wie sie war. Alleine lebte sie nicht freiwillig, sie war in jungen Jahren verlobt, aber ihr Bräutigam war katholisch, was bei meinem Urgroßeltern wohl gar nicht ging. Leider ist die Familiengeschichte sehr verschwiegen zu diesem Thema, verzichtete sie freiwillig, hat mein Urgroßvater den lieber-nicht-Schwiegersohn in die Flucht geschlagen? Einen Beruf zu ergreifen kam auch nicht in Frage und so lebte sie bis zum Tod ihrer Mutter unter deren Fuchtel und später ging sie ihrer verheirateten Schwester zur Hand. Ein eher trauriges Beispiel eines verpassten Lebens, finde ich heute.

Jedes Jahr an Weihnachten war sie – eher notgedrungen – in unserer Familie mit eingeladen und jedes Jahr erinnerte sie mein Vater: „Bring auch ein Geschenk für die Kinder mit“ (was zeigt, wie sehr sie sich in ihre eigene Welt zurückgezogen hatte)

Das Geschenk war meist eine Tüte Nüsse von ihrem Heiligtum, dem alten Nussbaum im Garten (der Garten gehörte der Schwester aber der Nussbaum gehörte ihr) – allerdings immer welche vom Vorjahr. Für uns ein echter Running Gag: „Nüsse von diesem Jahr“ wurde zum Inbegriff des Besonderen.

Eines Tages schenkte sie meiner Schwester und mir je eine alte Moccatasse, Teil einer Serie von Sammeltassen (by the way: schöne Geschichte über Sammeltassen gibt’s bei Madame Klutze. Wir waren beide sehr verblüfft über dieses Geschenk, das sie uns völlig überraschend (und ohne Anstoß von außen) gab. Später folgten noch weitere Tassen. Ich halte diese Tassen in Ehren und denke immer wieder daran, was aus Tante Fanny geworden wäre, hätte sie eine Generation später gelebt…

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Ich hab nicht alle Tassen im Schrank

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13 Antworten zu “die Sammeltassen

  1. Diese Tasse ist etwas besonderes, sieht fast nach Zwanziger Jahre aus…

  2. eine geschichte die zum nachdenken anregt – frauen dieser generation tragen oft traurige biografien mit sich rum. Schön, dass die tante sich euch beiden so zugehörig fühlte die kostbaren tassen euch beiden jungen frauen zu verehren. mich berührt diese geschichte sehr.
    herzlichst, Rinaa

  3. Ja, das ist traurig und stimmt sehr nachdenklich, wie man durch falsch verstandene Sitten, Glaubensregeln und Standesdünkeln seinerzeit vielen Frauen ein glückliches Leben verwehrt hatte.
    Die Tasse ist wunderschön, dieses sehr intensive Blau wirkt nicht kalt, sondern sehr, sehr warm und lebensvoll.

  4. Gerade durch diese Hintergrundgeschichte ist diese Tasse etwas ganz besonderes.
    Liebe Grüße von der Klutze ;)

  5. Eine schöne Tasse mit einer ganz besonderen Geschichte!
    LG Verena

  6. Die Tasse ist ja der Hammer, wow! Ein ganz tolles Stück ♥

    Die Geschichte dazu regt zum Nachdenken an, danke dafür.

  7. eine schöne Geschichte.

  8. Eine wunderwunderwunderschöne Tasse!

  9. Danke für Eure netten Kommentare. Ich finde es auch schön, dass die Erinnerung an Tante Fanny wenigstens durch die Tassen noch weiterlebt.

    Was das für eine Tasse ist, Kalle, weiss ich auch nicht so genau. Ich hätte jetzt eher auf 50er Jahre getippt.

  10. traurige geschichte! aber die tasse sieht echt cool aus!

  11. Pingback: Die Sammeltassen II « Doppelblog’s Weblog

  12. Pingback: Erinnerungsstücke II « Doppelblog's Weblog

  13. Achja, die Tassen und ihre Geschichten. Danke fürs Wiederdraufstupsen.

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