2. Tür: Graffiti am Freiburger Münster
Wir machen ganz profan weiter. Übrigens profan – woher kommt das? Fanum ist der heilige Tempelbezirk, abgegrenzt und nicht allen zugänglich. pro fanum ist also der Bereich, der vor dem heiligen Bezirk liegt, eben das Weltliche.
Die Kirche war ins Alltagsleben eng eingebunden, es gab ganz profane Nutzungen: Beispielsweise Versammlungen oder Ratssitzungen, es wurden Verordnungen verkündet, die Wahl und Vereidung von Bürgermeistern fand hier statt. Und es wurden öffentlich Maße und Gewichte angeschlagen.
Dies kann man am Freiburger Münster noch gut sehen, hier sind verschiedene Maße angezeichnet und somit legitimiert: Brotmaße, Kornmaße, Ellen etc.
Doch noch viel mehr kann man an der Außenfassade entdecken, wenn man aufmerksam ist. So fallen eine Menge altertümliche Inschriften auf. Hier kann man die Worte Pfeiffer oder Tambour entziffern sowie Namen und Jahreszahlen. Dies waren Soldaten in den napoleonischen Kriegen, die sich vor einer Schlacht noch an der Kirchenwand verewigt hatten. Soldaten lebten immer gefährlich, doch besonders gefährlich war es für die Trommler (Tamboure) und Pfeifer, diese gaben den Takt vor. Wenn man einen gegnerischen Trommler abschoss, konnte man eine ganze Kompanie erledigen, weil der Schrittmacher fehlte. Und deswegen hofften die Soldaten durch ein Graffiti an der Kirchenwand ihre Überlebenschancen zu vergrößern und wenigstens ein Lebenszeichen zu hinterlassen.
Mich berührt es immer, wenn ich diese Namen entdecke und jedesmal wenn ich in Freiburg bin, laufe ich einmal um die Kirche und schaue nach ihnen.
Die Mauern meiner Zeit
Erinn’rungen verblassen, und des Tages Ruhm vergeht,
Die Spuren, die wir heute zieh’n, sind morgen schon verweht.
Doch in uns ist die Sehnsucht, daß etwas von uns bleibt,
Ein Fußabdruck am Ufer, eh‘ der Strom uns weitertreibt.
Nur ein Graffiti, das sich von der grauen Wand abhebt,
So wie ein Schrei, der sagen will: „Schau her, ich hab gelebt!“
So nehm‘ ich, was an Mut mir bleibt, und in der Dunkelheit
Sprühe ich das Wort „Hoffnung“ auf die Mauern meiner Zeit…
(Reinhard Mey)
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Das Wesentliche einer Kerze ist nicht das Wachs,
das seine Spuren hinterläßt, sondern das Licht.
Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste